KINOLOUNGE MIT DR. WOLFGANG JACOBSEN, DR. HERBERT SCHWAAB UND MICHAEL KIENZL

„Papas Kino ist tot!“, so die Verfasser des Oberhausener Manifests 1962. Eine Pauschalverurteilung des deutschen Nachkriegsfilms und seiner Protagonisten, die sich im Nachhinein als tragisch, fatal und irrsinnig erweist. Mit einem halben Jahrhundert Abstand fällt der Blick in das Dickicht dieser filmischen Ära leichter und lässt schier Unglaubliches erkennen. Beginnend mit dem Genre- und Facettenreichtum: Das Kino der 1950er und 60er Jahre kennt natürlich den Heimatfilm, die Komödie, das Liebesdrama und den Kriegsfilm.

Da gibt es aber auch Abseitiges, ja Abtrünniges: das morbide Melodrama, den Horrorfilm samt Mad Scientist, den Avantgardefilm samt existenzialistischem Einzelgänger und vor allem jede Menge Serienmörder! Lange, bevor Hitchcock mit Norman Bates aus Psycho das Phänomen des Serial Killers in die amerikanischen Populärkultur einschrieb, gab es hierzulande bereits eine bis heute gültige Tradition, die bis Der Totmacher reicht und noch in unserem diesjährigen Beitrag Detour ihre Spuren hinterlässt.

Überhaupt: im deutschen Nachkriegsfilm tummeln sich mehr Nazi-Figuren, als man vielleicht zunächst denken sollte, auch außerhalb der „Rechtfertigungsfilme“. Genau genommen scheint das Kino seiner Zeit in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust seinen eigentlichen Kern zu haben. Das wird mal ganz deutlich ausgehandelt, mal eher latent.

15 Jahre nach Kriegsende erweckt Wolfgang Staudtes Kirmes die Schrecken der Nazizeit via Flashback und zeigt menschliche Abgründe auf. Zwischen Wiedersehensfreude und Angst um das eigene Leben wird ein Deserteur von der eigenen Familie empfangen. Auch mit Herrenpartie legt Staudte die offene Wunde frei und offenbart den dunklen Schatten des Dritten Reiches in der Nachkriegszeit. Die Mörder von damals sind immer noch unter uns!

In Helmut Käutners Schwarzer Kies hinterlässt der skrupellose Schwarzhändler Robert Neidhardt einen Pfad des Grauens. Virtuos inszeniert Käutner einen Kriminalfall als düsteres Sittengemälde und schreckt nicht davor zurück, die großen Tabus der Nachkriegszeit aufzubrechen.

Staudte und Käutner stehen exemplarisch für die Virtuosität und Komplexität einer zu Unrecht verrufenen filmischen Ära. Moderiert von Dr. Herbert Schwaab werden der Filmhistoriker Dr. Wolfgang Jacobsen (Deutsche Kinemathek) und der Filmkritiker Michael Kienzl (critic.de) das Schaffen der beiden Regisseure skizzieren und analysieren und mit dem Publikum auf eine Entdeckungsreise durch die sehenswerten Untiefen des deutschen Nachkriegskinos begeben.

Überzeugt Euch selbst bei Heimspiel davon, dass die Oberhauser doch nicht Recht hatten! – wir freuen uns auf Euch! Der Eintritt ist frei.

 

/ Wintergarten